The Book of Images
und Ringe mit verdunkelten Devisen
und Seiden, welche welke Düfte wehn.
Du trägst die Gemmen ihrer Gürtelbänder
ans hohe Fenster in den Glanz der Stunden,
und in die Seide sanfter Brautgewänder
sind deine kleinen Bücher eingebunden,
und drinnen hast du, mächtig über Länder,
ganz groß geschrieben und mit reichen, runden
Buchstaben deinen Namen vorgefunden.
Und alles ist, als wär es schon geschehn.
Sie haben so, als ob du nicht mehr kämst,
an alle Becher ihren Mund gesetzt,
zu alien Freuden ihr Gefühl gehetzt
und keinem Leide leidlos zugesehn;
so daß du jetzt
stehst und dich schämst.
… Du blasses Kind, dein Leben ist auch eines, —
der Sänger kommt dir sagen, daß du bist.
Und daß du mehr bist als ein Traum des Haines,
mehr als die Seligkeit des Sonnenscheines,
den mancher graue Tag vergißt.
Dein Leben ist so unaussprechlich Deines,
weil es von vielen überladen ist.
Empfindest du, wie die Vergangenheiten
leicht werden, wenn du eine Weile lebst,
wie sie dich sanft auf Wunder vorbereiten,
jedes Gefühl mit Bildern dir begleiten, —
und nur ein Zeichen scheinen ganze Zeiten
für eine Geste, die du schön erhebst. —
Das ist der Sinn von allem, was einst war,
daß es nich bleibt mit seiner ganzen Schwere,
daß es zu unserm Wesen wiederkehre,
in uns verwoben, tief und wunderbar:
So waren diese Frauen elfenbeinern,
von vielen Rosen rötlich angeschienen,
so dunkelten die müden Königsmienen,
so wurden fahle Fürstenmunde steinern
und unbewegt von Waisen und von Weinern,
so klangen Knaben an wie Violinen
und starben für der Frauen schweres Haar;
so gingen Jungfraun der Madonna dienen,
denen die Welt verworren war.
So wurden Lauten laut und Mandolinen,
in die ein Unbekannter größer griff, —
in warmen Samt verlief der Dolche Schliff, —
Schicksale bauten sich aus Glück und Glauben,
Abschiede schluchzten auf in Abendlauben, —
und über hundert schwarzen Eisenhauben
schwankte die Feldschlacht wie ein Schiff.
So wurden Städte langsam groß und fielen
in sich zurück wie Wellen eines Meeres,
so drängte sich zu hochbelohnten Zielen
die rasche Vogelkraft des Eisenspeeres,
so schmückten Kinder sich zu Gartenspielen, —
und so geschah Unwichtiges und Schweres,
nur, um für dieses tägliche Erleben
dir tausend große Gleichnisse zu geben,
an denen du gewaltig wachsen kannst.
Vergangenheiten sind dir eingepflanzt,
um sich aus dir, wie Gärten, zu erheben.
Du blasses Kind, du machst den Sänger reich
mit deinem Schicksal, das sich singen läßt:
so spiegelt sich ein großes Gartenfest
mit vielen Lichtern im erstaunten Teich.
Im dunklen Dichter wiederholt sich still
ein jedes Ding: ein Stern, ein Haus, ein Wald.
Und viele Dinge, die er feiern will,
umstehen deine rührende Gestalt.
THE SINGER SINGS BEFORE A CHILD OF PRINCES
In Memory of Paula Becker-Modersohn
You pale child, each evening the singer
shall stand darkly among your things
and bring you, over his voice’s bridge,
legends that ring out in the blood,
and a harp filled with his artful hands.
Not out of time comes what he tells you,
it is lifted as out of tapestries;
such figures have never had existence,—
and he calls what never existed life.
And today he has picked for you this song:
You blond child of princes and out of women
who waited solitary in the white hall,—
all, almost, were afraid to aid your making,
in order one day to gaze on you out of portraits:
on your eyes, with their serious brows,
on your hands, bright and thin.
You have from them pearls and richest turquoise,
from these women who stand in portraits
as though they stood alone in evening meadows,—
you have from them pearls and richest turquoise
and rings with enigmatic mottoes
and silks, which waft faded fragrance.
You bear the gems from their waistbands
past the high window into the hours’ brilliance,
and in the silk of soft bridal garments
your small books are bound,
and there inside, written very large and with rich,
round letters, you, mighty over lands,
have come upon your name.
And it’s as if the past claimed everything.
They have—as if your coming were annulled—
on every goblet placed their lips,
toward every pleasure whipped their feeling,
and on no grief gazed painlessly;
so that you now stand here
and feel ashamed.
… You pale child, yours also is a life,—
the singer comes to tell you that you are.
And that you are more than a dream of the forest,
more than the blessedness of sunshine
which many a gray day forgets.
Your life is so inexpressibly your own
because it is laden with so many.
Can you not sometimes feel how all pasts
grow light, when you’ve lived a while,
how they gently prepare you for amazement,
companion each feeling with images,—
and how whole eras seem but a sign
for some lovely gesture that you raise.—
This is the crux of all that once existed:
that it does not remain with all its weight,
that to our being it returns instead,
woven into us, deep and magical:
Thus were these women as of ivory,
by many roses redly shone upon,
thus darkened the weary mien of kings,
thus sallow mouths of princes turned to stone
and were unmoved by orphans and by weepers,
thus boys longed like violins
and died for the heavy hair of women;
thus virgins for whom the world was wild
dedicated themselves to the Madonna.
Thus lutes and mandolins grew loud
in some unknown player’s greater span,—
into warm velvet slipped the polished blade,—
destinies built up from faith and fortune,
farewells sobbed in evening arbors,—
and over hundreds of black iron helmets
the battle on the plain pitched like a ship.
Thus cities grew slowly great and fell
back into themselves like ocean waves,
thus the swift bird-strength of the iron spear
hurled itself toward high-rewarded goals,
thus children dressed themselves for garden games,—
and thus things trivial and hard took place,
only to give you for this daily living
a thousand great similes and likenesses,
by which you prodigiously may grow.
Past upon past has been planted in you,
in order out of you, like a garden, to rise.
You pale child, you enrich the singer
with your fate, whose praises
may be sung:
thus a huge garden-party is mirrored
with many lights in the astonished pond.
In the dark poet each thing silently
repeats itself: a star, a house, a forest.
And many things that he would celebrate
stand all around your moving form.
DIE AUS DEM HAUSE COLONNA
Ihr fremden Männer, die ihr jetzt so still
in Bildern steht, ihr saßen gut zu Pferde
und ungeduldig gingt ihr durch das Haus;
wie ein schöner Hund, mit derselben Gebärde
ruhn eure Hände jetzt bei euch aus.
Euer Gesicht is so voll von Schauen,
denn die Welt war euch Bild und Bild;
aus Waffen, Fahnen, Früchten und Frauen
quillt euch dieses große Vertrauen,
daß alles ist und daß alles gilt.
Aber damals, als ihr noch zu jung
wart, die großen Schlachten zu schlagen,
zu jung, um den päpstlichen Purpur zu tragen,
nicht immer glücklich bei Reiten und Jagen,
Knaben noch, die sich den Frauen versagen,
habt ihr aus jenen Knabentagen
keine, nicht eine Erinnerung?
Wißt ihr nicht mehr, was damals war?
Damals war der Altar
mit dem Bilde, auf dem Maria gebar,
in dem einsamen Seitenschiff.
Euch ergriff
eine Blumenranke;
der Gedanke,
daß die Fontäne allein
draußen im Garten in Mondenschein
ihre Wasser warf,
war wie eine Welt.
Das Fenster ging bis zu den Füßen auf wie eine Tür;
und es war Park mit Wiesen und Wegen:
seltsam nah und doch so entlegen,
seltsam hell und doch wie verborgen,
und die Brunnen rauschten wie Regen,
und es war, als käme kein Morgen
dieser langen Nacht entgegen,
die mit allen Sternen stand.
Damals wuchs euch, Knaben, die Hand,
die warm war. (Ihr aber wußtet es nicht.)
Damals breitete euer Gesicht sich aus.
THOSE OF THE HOUSE OF COLONNA
You far-off men, who stand now so motionless
in portraits, you sat at ease on horseback
and impatiently you strode through the hall;
like a great dog, with that same gesture
your hands now rest beside you.
Your face is so filled with gazing,
because for you the world was picture and picture;
out of armor, flags, ripe fruit, and women
welled for you that great confidence
that everything is and counts.
But back then when you were still too young
to lead your forces in the great battles,
too young to wear the robes of papal crimson,
not always favored in riding and hunting,
boys still, who forswore the charms of women,
have you from all those boyhood days
not one, not a single memory?
Have you forgotten how life felt back then?
Back then the altar, with its painting
on which Mary gave birth, was tucked away
in the solitary side aisle.
You were enthralled
by a flower tendril;
the thought
that the fountain all alone
outside in the garden bathed in moonlight
cast its water skyward
was like a world.
The window opened right up to your feet like a door;
and all was park with lawns and paths:
strangely near and yet so far away,
strangely bright and yet as if concealed,
and the springs had voices like rain,
and it was as if no morning came
to meet that long night
which stood with all its stars.
Back then, boys, your hands grew,
and were warm. (But you didn’t know it.)
Back then your faces burgeoned wide.
The Second Book, PART TWO
FRAGMENTE AUS VERLORENEN TAGEN
… Wie Vögel, welche sich gewöhnt ans Gehn
und immer schwerer werden, wie im Fallen:
die Erde saugt aus ihren langen Krallen
die mutige Erinnerung von allen
den großen Dingen, welche hoch geschehn,
und macht sie fast zu Blättern, die sich dicht
am Boden halten, —
wie Gewächse, die,
kaum aufwärts wachsend, in die Erde kriechen,
in schwarzen Schollen unlebendig licht
und weich und feucht versinken und versiechen, —
wie irre Kinder, — wie ein Angesicht
in einem Sarg, — wie frohe Hände, welche
unschlüssig werden, weil im vollen Kelche
sich Dinge spiegeln, die nicht nahe sind, —
wie Hülferufe, die im Abendwind
begegnen vielen dunklen großen Glocken, —
wie Zimmerblumen, die seit Tagen trocken,
wie Gassen, die verrufen sind, — wie Locken,
darinnen Edelsteine blind geworden sind, —
wie Morgen im April
vor allen vielen Fenstern des Spitales:
die Kranken drängen sich am Saum des Saales
und schaun: die Gnade eines frühen Strahles
macht alle Gassen frühlinglich und weit;
sie sehen nur die helle Herrlichkeit,
welche die Häuser jung und lachend macht,
und wissen nicht, daß schon die ganze Nacht
ein Sturm die Kleider von den Himmeln reißt,
ein Sturm von Wassern, wo die Welt noch eist,
ein Sturm, der jetzt noch durch die Gassen braust
und der den Dingen alle Bürde
von ihren Schultern nimmt, —
daß Etwas draußen groß ist und ergrimmt,
daß draußen die Gewalt geht, eine Faust,
die jeden von den Kranken würgen würde
inmitten dieses Glanzes, dem sie glauben. —
… Wie lange Nächte in verwelkten Lauben,
die schon zerrissen sind auf allen Seiten
und viel zu weit, um noch mit einem Zweiten,
den man sehr liebt, zusammen drin zu weinen, —
wie nackte Mädchen, kommend über Steine,
wie Trunkene in einem Birkenhaine, —
wie Worte, welche nichts Bestimmtes meinen
und dennoch gehn, ins Ohr hineingehn, weiter
ins Hirn und heimlich auf der Nervenleiter
durch alle Glieder Sprung um Sprung versuchen, —
wie Greise, welche ihr Geschlecht verfluchen
und dann versterben, so daß keiner je
abwenden könnte das verhängte Weh,
wie volle Rosen, künstlich aufgezogen
im blauen Treibhaus, wo die Lüfte logen,
und dann vom Übermut in großem Bogen
hinausgestreut in den verwehten Schnee, —
wie eine Erde, die nicht kreisen kann,
weil zuviel Tote ihr Gefühl beschweren,
wie ein erschlagener verscharrter Mann,
dem sich die Hände gegen Wurzeln wehren, —
wie eine von den hohen, schlanken, roten
Hochsommerblumen, welche unerlöst
ganz plötzlich stirbt im Lieblingswind der Wiesen,
weil ihre Wurzel unten an Türkisen
im Ohrgehänge einer Toten
stößt …
Und mancher Tage Stunden waren so.
Als formte wer mein Abbild irgendwo,
um es mit Nadeln langsam zu mißhandeln.
Ich spürte jede Spitze seiner Spiele,
und war, als ob ein Regen auf mich fiele,
in welchem alle Dinge sich verwandeln.
FRAGMENTS
FROM LOST DAYS
… Like birds that get used to walking
and grow heavier and heavier, as in falling:
the earth sucks out of their long claws
the brave memory of all
the great things that happen high up,
and makes them almost into leaves that cling
tightly to the ground,—
like plants which,
scarcely growing upward, creep into the earth,
sink lightly and softly and damply
into black clods and sicken there lifelessly,—
like mad children,—like a face
in a coffin,—like happy hands that
grow hesitant, because in the full goblet
things are mirrored that are not near,—
like calls for help which in the evening wind
collide with many dark huge chimes,—
like house plants that have dried for days,
like streets that are ill-famed,—like bright curls
within which jewels have grown blind,—
like early morning in April
facing the hospital’s many windows:
the sick press up against the hall’s seam
and look: the grace of a new light
makes all the streets seem vernal and wide;
they see only the bright majesty
that makes the houses young and laughing,
and don’t know that all night long
a storm ripped the garments from the sky,
a storm of waters, where the world still freezes,
a storm which this very moment roars through the streets
and takes all burdens
off the shoulders of each thing,—
that Something outside is huge and incensed,
that outside Power stalks, a fist
that would strangle each one of the sick
in the midst of this brilliance, which they believe.—
… Like long nights in withered garden-huts,
which are already torn apart on all sides
and much too open now to weep there together
with another person, who is so loved,—
like naked girls, tiptoeing over stones,
like drunkards in a birch grove,—
like words which mean nothing definite
and yet go, go inside the ear, keep going
into the brain and secretly on the nerve-branches
through every limb try out leap after leap,—
like old men who curse their race
and then die, so that no one can ever
turn aside the once-pronounced woe,
like full roses, artfully raised
in the blue hothouse where the air lied,
and then from the exhilaration in great curves
strewn out upon the scattered snow,—