The Book of Images
Und bin doch manch eines Erbe.
Mit drei Zweigen hat mein Geschlecht geblüht
auf sieben Schlössern im Wald,
und wurde seines Wappens müd
und war schon viel zu alt; —
und was sie mir ließen und was ich erwerbe
zum alten Besitze, ist heimatlos.
In meinen Händen, in meinem Schooß
muß ich es halten, bis ich sterbe.
Denn was ich fortstelle,
hinein in die Welt,
fällt,
ist wie auf eine Welle
gestellt.
THE LAST OF HIS LINE
I have no paternal house,
nor have I lost one;
my mother birthed me out
into the world.
Here I stand now in the world and go
ever deeper into the world
and have my happiness and have my woe
and have each one alone.
And yet to many a man am heir.
My family blossomed with three branches
on seven castles in the woods,
and grew weary of its coat of arms
and was already far too old;—
and what they left me and what I gained
of ancient ownership, is homeless.
In my hands, in my loins
I have to hold it all, until I die.
Since whatever I put away
out into the world
falls,
it is as if set down
upon a wave.
BANGNIS
Im welken Walde ist ein Vogelruf,
der sinnlos scheint in diesem welken Walde.
Und dennoch ruht der runde Vogelruf
in dieser Weile, die ihn schuf,
breit wie ein Himmel auf dem welken Walde.
Gefügig räumt sich alles in den Schrei:
Das ganze Land scheint lautlos drin zu liegen,
der große Wind scheint sich hineinzuschmiegen,
und die Minute, welche weiter will,
ist bleich und still, als ob sie Dinge wüßte,
an denen jeder sterben müßte,
aus ihm herausgestiegen.
APPREHENSION
In the faded forest there is a birdcall
which seems meaningless in this faded forest.
And yet the rounded birdcall rests
in this interim that shaped it,
wide as a sky upon the faded forest.
Pliantly everything makes room in the cry:
The whole land seems to lie in it soundlessly,
the great wind seems to nestle up inside,
and the moment, which wants to go on,
has, pale and silent, as if it knew things
for which anyone would have to die,
risen out of it.
KLAGE
O wie ist alles fern
und lange vergangen.
Ich glaube, der Stern,
von welchem ich Glanz empfange,
ist seit Jahrtausenden tot.
Ich glaube, im Boot,
das vorüberfuhr,
hörte ich etwas Banges sagen.
Im Hause hat eine Uhr
geschlagen …
In welchem Haus?…
Ich möchte aus meinem Herzen hinaus
unter den großen Himmel treten.
Ich möchte beten.
Und einer von allen Sternen
müßte wirklich noch sein.
Ich glaube, ich wüßte,
welcher allein
gedauert hat, —
welcher wie eine weiße Stadt
am Ende des Strahls in den Himmeln steht …
LAMENT
How everything is far away
and long deceased.
I think now, that the star
whose brightness reached me
has been dead for a thousand years.
I think now, that in the boat
which slipped past
I heard something fearful being said.
Inside the house a clock
just struck …
Inside what house?…
I would like to step out of my heart’s door
and be under the great sky.
I would like to pray.
And surely one of all those stars
must still exist.
I think now, that I know
which one alone
has lasted,—
which one like a white city
stands at its light’s end in the sky …
EINSAMKEIT
Die Einsamkeit ist wie ein Regen.
Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;
von Ebenen, die fern sind und entlegen,
geht sie zum Himmel, der sie immer hat.
Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.
Regnet hernieder in den Zwitterstunden,
wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen
und wenn die Lieber, welche nichts gefunden,
enttäuscht und traurig von einander lassen;
und wenn die Menschen, die einander hassen,
in einem Bett zusammen schlafen müssen:
dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen …
SOLITUDE
Solitude is like a rain.
It rises from the sea toward evening;
from plains, which are distant and remote,
it goes to the sky, which always has it.
And only then it falls from the sky on the city.
It rains down in the in-between hours,
when all the crooked streets turn toward morning,
and when the bodies, which found nothing,
leave each other feeling sad and disappointed;
and when the people, who hate each other,
have to sleep together in one bed:
then solitude flows with the rivers …
HERBSTTAG
Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren laß die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;
gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
AUTUMN DAY
Lord: it is time. The summer was immense.
Lay your shadows on the sundials,
and on the meadows let the winds go free.
Command the last fruits to be full;
give them just two more southern days,
urge them on to completion and chase
the last sweetness into the heavy wine.
Who has no house now, will never build one.
Who is alone now, will long remain so,
will stay awake, read, write long letters
and will wander restlessly up and down
the tree-lined streets, when the leaves are drifting.
ERINNERUNG
Und du wartest, erwartest das Eine,
das dein Leben unendlich vermehrt;
das Mächtige, Ungemeine,
das Erwachen der Steine,
Tiefen, dir zugekehrt.
Es dämmern im Bücherständer
die Bände in Gold und Braun;
und du denkst an durchfahrene Länder,
an Bilder, an die Gewänder
wiederverlorener Fraun.
Und da weißt du auf einmal: das war es.
Du erhebst dich, und vor dir steht
eines vergangenen Jahres
Angst und Gestalt und Gebet.
MEMORY
And you wait, await the one thing
that will infinitely increase your life;
the gigantic, the stupendous,
the awakening of stones,
depths turned round toward you.
The volumes in brown and gold
flicker dimly on the bookshelves;
and you think of lands traveled through,
of paintings, of the garments
of women found and lost.
And then all at once you know: that was it.
You rise, and there stands before you
the fear and prayer and shape
of a vanished year.
ENDE DES HERBSTES
Ich sehe seit einer Zeit,
wie alles sich verwandelt.
Etwas steht auf und handelt
und tötet und tut Leid.
Von Mal zu Mal sind all
die Gärten nicht dieselben;
von den gilbenden zu der gelben
langsamen Verfall:
wie war der Weg mir weit.
Jetzt bin ich bei den leeren
und schaue durch alle Alleen.
Fast bis zu den fernen Meeren
kann ich den ernsten schweren
verwehrenden Himmel sehn.
END OF AUTUMN
I have seen for some time
how everything is changing.
Something rises and acts
and kills and causes grief.
From one time to the next
all the gardens now are not the same;
from the yellowing to the
golden slow decay;
how long that path has been.
Now I stand amid emptiness
and gaze down all avenues.
Almost to the distant oceans
I can see the solemn ponderous
relentlessly denying sky.
HERBST
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
AUTUMN
The leaves are falling, falling as if from far off,
as if in the heavens distant gardens withered;
they fall with gestures that say “no.”
And in the nights the heavy earth falls
from all the stars into aloneness.
We are all falling. This hand is falling.
And look at the others: it is in them all.
And yet there is One who holds this falling
with infinite softness in his hands.
AM RANDE DER NACHT
Meine Stube und diese Weite,
wach über nachtendem Land, —
ist Eines. Ich bin eine Saite,
über rauschende breite
Resonanzen gespannt.
Die Dinge sind Geigenleiber,
von murrendem Dunkel voll;
drin träumt das Weinen der Weiber,
drin rührt sich im Schlafe der Groll
ganzer Geschlechter …
Ich soll
silbern erzittern: dann wird
Alles unter mir leben,
und was in den Dingen irrt,
wird nach dem Lichte streben,
das von meinem tanzenden Tone,
um welchen der Himmel wellt,
durch schmale, schmachtende Spalten
in die alten
Abgründe ohne
Ende fällt …
ON THE EDGE OF NIGHT
My room and this vastness,
awake over the darkening land,—
are one. I am a string,
stretched tightly over wide
raging resonances.
Things are violin-bodies
full of murmuring darkness:
in it dreams the weeping of women,
in it the grudge of whole
generations stirs in its sleep …
I shall vibrate
like silver; then everything
beneath me will live,
and whatever wanders lost in things
will strive toward the light
that from my dancing tone—
around which the heavens pulse—
through thin, pining rifts
into the old
abysses endlessly
falls …
GEBET
Nacht, stille Nacht, in die verwoben sind
ganz weiße Dinge, rote, bunte Dinge,
verstreute Farben, die erhoben sind
zu Einem Dunkel Einer Stille, — bringe
doch mich auch in Beziehung zu dem Vielen,
das du erwirbst und überredest. Spielen
denn meine Sinne noch zu sehr mit Licht?
Würde sich denn mein Angesicht
noch immer störend von den Gegenständen
abheben? Urteile nach meinen Händen:
Liegen sie nicht wie Werkzeug da und Ding?
Ist nicht der Ring selbst schlicht
an meiner Hand, und liegt das Licht
nicht ganz so, voll Vertrauen, über ihnen, —
als ob sie Wege wären, die, beschienen,
nicht anders sich verzweigen, als im Dunkel? ..
PRAYER
Night, still night, into which are woven
purely white things, red, brightly mottled things,
scattered colors, which are raised up
into One Darkness’s One Stillness,—include me
also in the weft of that rich manifold
which you acquire and persuade. Do my senses
really still play too much with light?
Shall my face not forever stand out
as a disturbance in the world of
objects? Judge by my hands:
Do they not lie there like tool and thing?
Is not the ring itself simply
on my hand, and does not the light
lie exactly so, full of trust, over them,—
as if they were paths, which, brightly lit,
do not branch differently in darkness?…
FORTSCHRITT
Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,
als ob es jetzt in breitern Ufern ginge.
Immer verwandter werden mir die Dinge
und alle Bilder immer angeschauter.
Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:
Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reiche
ich in die windigen Himmel aus der Eiche,
und in den abgebrochnen Tag der Teiche
sinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl.
PROGRESS
And again my inmost life rushes louder,
as if it moved now between steeper banks.
Objects become ever more related to me,
and all pictures ever more perused.
I feel myself more trusting in the nameless:
with my senses, as with birds, I reach
into the windy heavens from the oak,
and into the small ponds’ broken-off day
my feeling sinks, as if it stood on fishes.
VORGEFÜHL
Ich bin wie eine Fahne von Fernen umgeben.
Ich ahne die Winde, die kommen, und muß sie leben,
während die Dinge unten sich noch nicht rühren:
die Türen schließen noch sanft, und in den Kaminen ist Stille;
die Fenster zittern noch nicht, und der Staub ist noch schwer.
Da weiß ich die Stürme schon und bin erregt wie das Meer.
Und breite mich aus und falle in mich hinein
und werfe mich ab und bin ganz allein
in dem großen Sturm.
PRESENTIMENT
I am like a flag surrounded by distances.
I sense the winds that are coming, and must live them,
while the t
hings down below don’t yet stir:
the doors still close softly, and in the chimneys there’s silence;
the windows don’t tremble yet, and the dust is still calm.
Then I know the storms already and grow embroiled like the sea.
And spread myself out and plunge deep inside myself
and cast myself off and am entirely alone
in the great storm.
STURM
Wenn die Wolken, von Stürmen geschlagen,
jagen:
Himmel von hundert Tagen
über einem einzigen Tag —:
Dann fühl ich dich, Hetman, von fern
(der du deine Kosaken gern
zu dem größesten Herrn
führen wolltest).
Deinen waagrechten Nacken
fühl ich, Mazeppa.
Dann bin auch ich an das rasende Rennen
eines rauchenden Rückens gebunden;
alle Dinge sind mir verschwunden,
nur die Himmel kann ich erkennen:
Überdunkelt und überschienen
lieg ich flach unter ihnen,
wie Ebenen liegen;
meine Augen sind offen wie Teiche,
und in ihnen flüchtet das gleiche
Fliegen.
STORM
When the clouds, driven by storms,
stampede:
skies of a hundred daytimes
above a single day—:
Then I feel you, hetman, from afar
(you, who would gladly lead
your cossacks over
to the strongest lord).
Your neck level with the ground
I feel, Mazeppa.
Then I too am bound to the wild-eyed
racing of a smoking back;
all things have disappeared from me,
I can only recognize the sky:
Blanketed by darkness and bathed by light
I lie flat beneath it
the way plains lie;
my eyes are open like ponds,
and the same flying
flees in them …
ABEND IN SKÅNE
Der Park ist hoch. Und wie aus einem Haus
tret ich aus seiner Dämmerung heraus
in Ebene und Abend. In den Wind,