Anschein abtun, der ihrer Geister

  reine Bewegung manchmal ein wenig behindert.

  Freilich ist es seltsam, die Erde nicht mehr zu bewohnen,

  kaum erlernte Gebräuche nicht mehr zu üben,

  Rosen, und andern eigens versprechenden Dingen

  nicht die Bedeutung menschlicher Zukunft zu geben;

  das, was man war in unendlich ängstlichen Händen,

  nicht mehr zu sein, und selbst den eigenen Namen

  wegzulassen wie ein zerbrochenes Spielzeug.

  Seltsam, die Wünsche nicht weiterzuwünschen. Seltsam,

  alles, was sich bezog, so lose im Raume

  flattern zu sehen. Und das Totsein ist mühsam

  und voller Nachholn, daß man allmählich ein wenig

  Ewigkeit spürt.—Aber Lebendige machen

  alle den Fehler, daß sie zu stark unterscheiden.

  Engel (sagt man) wüßten oft nicht, ob sie unter

  Lebenden gehn oder Toten. Die ewige Strömung

  reißt durch beide Bereiche alle Alter

  immer mit sich und übertönt sie in beiden.

  Schließlich brauchen sie uns nicht mehr, die Früheentrückten,

  man entwöhnt sich des Irdischen sanft, wie man den Brüsten

  milde der Mutter entwächst. Aber wir, die so große

  Geheimnisse brauchen, denen aus Trauer so oft

  seliger Fortschritt entspringt—: könnten wir sein ohne sie?

  Ist die Sage umsonst, daß einst in der Klage um Linos

  wagende erste Musik dürre Erstarrung durchdrang;

  daß erst im erschrockenen Raum, dem ein beinah göttlicher Jüngling

  plötzlich für immer enttrat, das Leere in jene

  Schwingung geriet, die uns jetzt hinreißt und tröstet und hilft.

  THE FIRST ELEGY

  Who, if I cried out, would hear me among the angelic

  orders? And even if one of them pressed me

  suddenly to his heart: I’d be consumed

  in his stronger existence. For beauty is nothing

  but the beginning of terror, which we can just barely endure,

  and we stand in awe of it as it coolly disdains

  to destroy us. Every angel is terrifying.

  And so I check myself and swallow the luring call

  of dark sobs. Alas, whom can we turn to

  in our need? Not angels, not humans,

  and the sly animals see at once

  how little at home we are

  in the interpreted world. That leaves us

  some tree on a hillside, on which our eyes fasten

  day after day; leaves us yesterday’s street

  and the coddled loyalty of an old habit

  that liked it here, stayed on, and never left.

  O and the night, the night, when the wind full of worldspace

  gnaws at our faces—, for whom won’t the night be there,

  desired, gently disappointing, a hard rendezvous

  for each toiling heart. Is it easier for lovers?

  Ah, but they only use each other to hide what awaits them.

  You still don’t see? Cast the emptiness from your arms

  into the spaces we breathe: perhaps the birds

  will sense the increase of air with more passionate flying.

  Yes, the springtimes needed you. Many a star was waiting

  for your eyes only. A wave swelled toward you

  out of the past, or a violin surrendered itself

  as you walked by an open window. All that was mission.

  But were you up to it? Weren’t you always

  distracted by expectation, as though each moment

  announced a beloved’s coming? (But where would you keep her,

  with all those huge strange thoughts in you

  going and coming and sometimes staying the night?)

  No, in longing’s grip sing women who loved:

  their feats of passion still lack undying fame.

  The bereft ones you almost envy, since you

  found them so much bolder in love than those fulfilled.

  To begin ever anew their impossible praise.

  Remember: the hero lives on. Even his downfall

  was only a pretext for attained existence, a final birth.

  But nature, depleted, takes back into herself

  women who loved, as though she lacked the strength

  to create them a second time. Have you invoked Gaspara Stampa

  enough so that any girl abandoned by her lover

  would feel from this exalted model

  of a woman’s love: let me be as she was!

  Isn’t it time that these most ancient sorrows of ours

  grew fruitful? Time that we tenderly loosed ourselves

  from the loved one, and, unsteadily, survived:

  the way the arrow, suddenly all vector, survives the string

  to be more than itself. For abiding is nowhere.

  Voices, voices. Listen, my heart, as before now

  only saints had listened, while that vast call

  raised them off the ground; yet they paid no heed

  and kept on kneeling, those impossible ones,

  listening wholly absorbed. Not that you could bear

  God’s voice—by no means. But listen to the wind’s breathing,

  that uninterrupted news that forms from silence.

  It’s rustling toward you now from all the youthful dead.

  When you entered a church in Rome or Naples,

  didn’t their fate speak quietly to you?

  Or an inscription echoed deep inside you,

  as, not long ago, that tablet in Santa Maria Formosa.

  Their charge to me? —that I brush gently aside

  the veil of injustice that sometimes

  hinders a bit their spirits’ pure movement.

  True, it’s strange to dwell on earth no longer,

  to cease practicing customs barely learned,

  not to give roses and other things of such promise

  a meaning in some human future;

  to stop being what one was in endlessly anxious hands,

  and ignore even one’s own name like a broken toy.

  Strange, not to go on wishing one’s wishes. Strange,

  to see all that was once so interconnected

  now floating in space. And death demands a labor,

  a tying up of loose ends, before one has

  that first feeling of eternity. —But the living

  all make the same mistake: they distinguish too sharply.

  Angels (it’s said) often don’t know whether they move among

  the living or the dead. The eternal current

  bears all the ages with it through both kingdoms

  forever and drowns their voices in both.

  In the end, those torn from us early no longer need us;

  they grow slowly unaccustomed to earthly things, in the gentle manner

  one outgrows a mother’s breasts. But we, who need

  such great mysteries, for whom so often blessed progress

  springs from grief—: could we exist without them?

  Is it a tale told in vain, that myth of lament for Linos,

  in which music first pierced the shell of numbness:

  shocked Space, which an almost divine youth

  had suddenly left forever; then, in the void, vibrations—

  which in us now are rapture and solace and help.

  DIE ZWEITE ELEGIE

  Jeder Engel ist schrecklich. Und dennoch, weh mir,

  ansing ich euch, fast tödliche Vögel der Seele,

  wissend um euch. Wohin sind die Tage Tobiae,

  da der Strahlendsten einer stand an der einfachen Haustür,

  zur Reise ein wenig verkleidet und schon nicht mehr furchtbar;

  (Jüngling dem Jüngling, wie er neugierig hinaussah).

  Träte der Erzengel jetzt, der gefährliche, hinter den Sternen

  ein
es Schrittes nur nieder und herwärts: hochauf-

  schlagend erschlüg uns das eigene Herz. Wer seid ihr?

  Frühe Geglückte, ihr Verwöhnten der Schöpfung,

  Höhenzüge, morgenrötliche Grate

  aller Erschaffung,—Pollen der blühenden Gottheit,

  Gelenke des Lichtes, Gänge, Treppen, Throne,

  Räume aus Wesen, Schilde aus Wonne, Tumulte

  stürmisch entzückten Gefühls und plötzlich, einzeln,

  Spiegel: die die entströmte eigene Schönheit

  wiederschöpfen zurück in das eigene Antlitz.

  Denn wir, wo wir fühlen, verflüchtigen; ach wir

  atmen uns aus und dahin; von Holzglut zu Holzglut

  geben wir schwächern Geruch. Da sagt uns wohl einer:

  ja, du gehst mir ins Blut, dieses Zimmer, der Frühling

  füllt sich mit dir … Was hilfts, er kann uns nicht halten,

  wir schwinden in ihm und um ihn. Und jene, die schön sind,

  o wer hält sie zurück? Unaufhörlich steht Anschein

  auf in ihrem Gesicht und geht fort. Wie Tau von dem Frühgras

  hebt sich das Unsre von uns, wie die Hitze von einem

  heißen Gericht. O Lächeln, wohin? O Aufschaun:

  neue, warme, entgehende Welle des Herzens—;

  weh mir: wir sinds doch. Schmeckt denn der Weltraum,

  in den wir uns lösen, nach uns? Fangen die Engel

  wirklich nur Ihriges auf, ihnen Entströmtes,

  oder ist manchmal, wie aus Versehen, ein wenig

  unseres Wesens dabei? Sind wir in ihre

  Züge soviel nur gemischt wie das Vage in die Gesichter

  schwangerer Frauen? Sie merken es nicht in dem Wirbel

  ihrer Rückkehr zu sich. (Wie sollten sie’s merken.)

  Liebende könnten, verstünden sie’s, in der Nachtluft

  wunderlich reden. Denn es scheint, daß uns alles

  verheimlicht. Siehe, die Bäume sind; die Häuser,

  die wir bewohnen, bestehn noch. Wir nur

  ziehen allem vorbei wie ein luftiger Austausch.

  Und alles ist einig, uns zu verschweigen, halb als

  Schande vielleicht und halb als unsägliche Hoffnung.

  Liebende, euch, ihr in einander Genügten,

  frag ich nach uns. Ihr greift euch. Habt ihr Beweise?

  Seht, mir geschiehts, daß meine Hände einander

  inne werden oder daß mein gebrauchtes

  Gesicht in ihnen sich schont. Das giebt mir ein wenig

  Empfindung. Doch wer wagte darum schon zu sein?

  Ihr aber, die ihr im Entzücken des anderen

  zunehmt, bis er euch überwältigt

  anfleht: nicht mehr—; die ihr unter den Händen

  euch reichlicher werdet wie Traubenjahre;

  die ihr manchmal vergeht, nur weil der andre

  ganz überhand nimmt: euch frag ich nach uns. Ich weiß,

  ihr berührt euch so selig, weil die Liebkosung verhält,

  weil die Stelle nicht schwindet, die ihr, Zärtliche,

  zudeckt; weil ihr darunter das reine

  Dauern verspürt. So versprecht ihr euch Ewigkeit fast

  von der Umarmung. Und doch, wenn ihr der ersten

  Blicke Schrecken besteht und die Sehnsucht am Fenster,

  und den ersten gemeinsamen Gang, ein Mal durch den Garten:

  Liebende, seid ihrs dann noch? Wenn ihr einer dem andern

  euch an den Mund hebt und ansetzt—; Getränk an Getränk:

  o wie entgeht dann der Trinkende seltsam der Handlung.

  Erstaunte euch nicht auf attischen Stelen die Vorsicht

  menschlicher Geste? war nicht Liebe und Abschied

  so leicht auf die Schultern gelegt, als wär es aus anderm

  Stoffe gemacht als bei uns? Gedenkt euch der Hände,

  wie sie drucklos beruhen, obwohl in den Torsen die Kraft steht.

  Diese Beherrschten wußten damit: so weit sind wirs,

  dieses ist unser, uns so zu berühren; stärker

  stemmen die Götter uns an. Doch dies ist Sache der Götter.

  Fänden auch wir ein reines, verhaltenes, schmales

  Menschliches, einen unseren Streifen Fruchtlands

  zwischen Strom und Gestein. Denn das eigene Herz übersteigt uns

  noch immer wie jene. Und wir können ihm nicht mehr

  nachschaun in Bilder, die es besänftigen, noch in

  göttliche Körper, in denen es größer sich mäßigt.

  THE SECOND ELEGY

  Every angel is terrifying. And yet, alas,

  I sing to you, almost fatal birds of the soul,

  knowing what you are. Where are the days of Tobias,

  when one of your most radiant stood at that simple doorway,

  dressed for travel and no longer frightening

  (to the youth who peered out curiously, a youth like him).

  Were the archangel now to emerge from behind the stars

  and take just one downward step this way:

  our own thundering hearts would slay us. Who are you?

  Favored first prodigies, creation’s darlings,

  mountain ranges, peaks, dawn-red ridges

  of all genesis,—pollen of a flowering godhead,

  links of light, corridors, stairs, thrones,

  spaces of being, shields of rapture, torrents

  of unchecked feeling and then suddenly, singly,

  mirrors: scooping their outstreamed beauty

  back into their peerless faces.

  For our part, when we feel, we evaporate; ah, we breathe

  ourselves out and away; with each new heartfire

  we give off a fainter scent. True, someone may tell us:

  you’re in my blood, this room, Spring itself

  is filled with you … To what end? He can’t hold us,

  we vanish within him and around him. And the beautiful ones,

  ah, who holds them back? Appearance ceaselessly

  flares in their faces and disappears. Like dew from the morning grass

  what is ours rises from us, the way heat rises

  from a steaming dish. O smile, going where? O upturned look:

  new, warm, receding surge of the heart—;

  alas, we are that surge. Does then the cosmic space

  we dissolve in taste of us? Do the angels

  reclaim only what is theirs, their own outstreamed essence,

  or sometimes, by accident, does a bit of us

  get mixed in? Are we blended in their features

  like the slight vagueness that complicates the looks

  of pregnant women? Unnoticed by them in their

  whirling back into themselves. (How could they notice?)

  Lovers, if they only understood, might speak wondrously

  in the night air. For everything, it seems,

  seeks to conceal us. Look: the trees exist; the houses

  we dwell in stand there stalwartly. Only we

  pass by it all, like a rush of air.

  And everything conspires to keep quiet about us,

  half out of shame perhaps, half out of some secret hope.

  You lovers, secure in one another, I ask you

  about us. You hold each other. Have you assurances?

  It sometimes happens that my hands

  grow conscious of each other, or else my weary face

  takes refuge in them. That gives me a slight

  self-sensation. Yet who, from something so unwarranted,

  would dare conclude, “I am”? You, though, who keep increasing

  through the other’s rapture, until, overwhelmed, each

  begs the other: “No more”—; you who amid each other’s hands

  flourish like vines in vintage years;

  you who disappear sometimes, only because the other

  grows rampant; I ask you about us. I know

  you touch so fervently because the caress preserves,

  because the place you cover up, O te
nder ones,

  doesn’t disappear; because, underneath, you feel

  pure permanence. Thus your embraces almost promise you

  eternity. And yet, after you survive the terror

  of the first look, and the long yearning at the window,

  and that first walk—the one walk—together through the garden:

  lovers, are you still the same? When you lift yourselves

  each to the other’s lips—drink unto drink:

  O how strangely the drinker slips from the sacrament.

  Remember those Attic stelae, how amazed you were at the caution

  of human gestures; at the way love and parting were

  laid so lightly on their shoulders, as if made of other stuff

  than in our lives? And their hands, how they touched

  without pressure, even though such power resides in the torsos.

  Those self-mastered ones knew: we can go this far;

  this much belongs to us, to touch each other thus; the gods

  can grip us more forcefully. The choice is theirs.

  If only we too could find some defined, narrow,

  purely human place, our own small strip of fertile soil

  between stream and stone. For even now our heart

  transcends us, just as with those others. And no longer

  can we gaze after it into pictures that soothe, or

  into godlike bodies where it finds a grander restraint.

  DIE DRITTE ELEGIE

  Eines ist, die Geliebte zu singen. Ein anderes, wehe,

  jenen verborgenen schuldigen Fluß-Gott des Bluts.

  Den sie von weitem erkennt, ihren Jüngling, was weiß er

  selbst von dem Herren der Lust, der aus dem Einsamen oft,

  ehe das Mädchen noch linderte, oft auch als wäre sie nicht,

  ach, von welchem Unkenntlichen triefend, das Gotthaupt

  aufhob, aufrufend die Nacht zu unendlichem Aufruhr.

  O des Blutes Neptun, o sein furchtbarer Dreizack.

  O der dunkele Wind seiner Brust aus gewundener Muschel.

  Horch, wie die Nacht sich muldet und höhlt. Ihr Sterne,

  stammt nicht von euch des Liebenden Lust zu dem Antlitz

  seiner Geliebten? Hat er die innige Einsicht

  in ihr reines Gesicht nicht aus dem reinen Gestirn?

  Du nicht hast ihm, wehe, nicht seine Mutter

  hat ihm die Bogen der Braun so zur Erwartung gespannt.

  Nicht an dir, ihn fühlendes Mädchen, an dir nicht

  bog seine Lippe sich zum fruchtbarern Ausdruck.

  Meinst du wirklich, ihn hätte dein leichter Auftritt

  also erschüttert, du, die wandelt wie Frühwind?