Page 9 of The Book of Images


  die ihn jagt durch diese gejagten

  Gesichter, an dunklen ungefragten

  vielleicht schuldigen Händen entlang.

  Manchmal packt er Einen im Gang

  grade noch an des Mantels Falten,

  und er zerrt ihn zornig her;

  aber im Fenster weiß er nicht mehr:

  wer ist Haltender? Wer ist gehalten?

  Wer bin ich und wer ist der?

  IV

  Es ist die Stunde, da das Reich sich eitel

  in seines Glanzes vielen Spiegeln sieht.

  Der blasse Zar, des Stammes letztes Glied,

  träumt auf dem Thron, davor das Fest geschieht,

  und leise zittert sein beschämter Scheitel

  und seine Hand, die vor den Purpurlehnen

  mit einem unbestimmten Sehnen

  ins wirre Ungewisse flieht.

  Und um sein Schweigen neigen sich Bojaren

  in blanken Panzern und in Pantherfellen,

  wie viele fremde fürstliche Gefahren,

  die ihn mit stummer Ungeduld umstellen.

  Tief in den Saal schlägt ihre Ehrfurcht Wellen.

  Und sie gedenken eines andern Zaren,

  der oft mit Worten, die aus Wahnsinn waren,

  ihnen die Stirnen an die Steine stieß.

  Und denken also weiter: jener ließ

  nicht so viel Raum, wenn er zu Throne saß,

  auf dem verwelkten Samt des Kissens leer.

  Er war der Dinge dunkles Maß,

  und die Bojaren wußten lang nicht mehr,

  daß rot der Sitz des Sessels sei, so schwer

  lag sein Gewand und wurde golden breit.

  Und weiter denken sie: das Kaiserkleid

  schläft auf den Schultern dieses Knaben ein.

  Obgleich im ganzen Saal die Fackeln flacken,

  sind bleich die Perlen, die in sieben Reihn,

  wie weiße Kinder, knien um seinen Nacken,

  und die Rubine an den Ärmelzacken,

  die einst Pokale waren, klar von Wein,

  sind schwarz wie Schlacken —

  Und ihr Denken schwillt.

  Es drängt sich heftig an den blassen Kaiser,

  auf dessen Haupt die Krone immer leiser

  und dem der Wille immer fremder wird;

  er lächelt. Lauter prüfen ihn die Preiser,

  ihr Neigen nähert sich, sie schmeicheln heiser,

  und eine Klinge hat im Traum geklirrt.

  V

  Der blasse Zar wird nicht am Schwerte sterben,

  die fremde Sehnsucht macht ihn sakrosankt;

  er wird die feierlichen Reiche erben,

  an denen seine sanfte Seele krankt.

  Schon jetzt, hintretend an ein Kremlfenster,

  sieht er ein Moskau, weißer, unbegrenzter,

  in seine endlich fertige Nacht gewebt;

  so wie es ist im ersten Frühlingswirken,

  wenn in den Gassen der Geruch aus Birken

  von lauter Morgenglocken bebt.

  Die großen Glocken, die so herrisch lauten,

  sind seine Väter, jene ersten Zaren,

  die sie noch vor den Tagen der Tartaren

  aus Sagen, Abenteuern und Gefahren,

  aus Zorn und Demut zögernd auferbauten.

  Und er begreift auf einmal, wer sie waren,

  und daß sie oft um ihres Dunkels Sinn

  in seine eignen Tiefen niedertauchten

  und ihn, den Leisesten von den Erlauchten,

  in ihren Taten groß und fromm verbrauchten

  schon lang vor seinem Anbeginn.

  Und eine Dankbarkeit kommt über ihn,

  daß sie ihn so verschwenderisch vergeben

  an aller Dinge Durst und Drang.

  Er war die Kraft zu ihrem Überschwang,

  der goldne Grund, vor dem ihr breites Leben

  geheimnisvoll zu dunkeln schien.

  In allen ihren Werken schaut er sich,

  wie eingelegtes Silber in Zieraten,

  und es giebt keine Tat in ihren Taten,

  die nicht auch war in seinen stillen Staaten,

  in denen alles Handelns Rot verblich.

  VI

  Noch immer schauen in den Silberplatten

  wie tiefe Frauenaugen die Saphire,

  Goldranken schlingen sich wie schlanke Tiere,

  die sich im Glanze ihrer Brünste gatten,

  und sanfte Perlen warten in dem Schatten

  wilder Gebilde, daß ein Schimmer ihre

  stillen Gesichter finde und verliere.

  Und das ist Mantel, Strahlenkranz und Land,

  und ein Bewegen geht von Rand zu Rand,

  wie Korn im Wind und wie ein Fluß im Tale,

  so glänzt es wechselnd durch die Rahmenwand.

  In ihrer Sonne dunkeln drei Ovale:

  das große giebt dem Mutterantlitz Raum,

  und rechts und links hebt eine mandelschmale

  Jungfrauenhand sich aus dem Silbersaum.

  Die beiden Hände, seltsam still und braun,

  verkünden, daß im köstlichen Ikone

  die Königliche wie im Kloster wohne,

  die überfließen wird von jenem Sohne,

  von jenem Tropfen, drinnen wolkenohne

  die niegehofften Himmel blaun.

  Die Hände zeugen noch dafür;

  aber das Antlitz ist wie eine Tür

  in warme Dämmerungen aufgegangen,

  in die das Lächeln von den Gnadenwangen

  mit seinem Lichte irrend, sich verlor.

  Da neigt sich tief der Zar davor und spricht:

  Fühltest Du nicht, wie sehr wir in Dich drangen

  mit allem Fühlen, Fürchten und Verlangen:

  wir warten auf Dein liebes Angesicht,

  das uns vergangen ist; wohin vergangen?:

  Den großen Heiligen vergeht es nicht.

  Er bebte tief in seinem steifen Kleid,

  das strahlend stand. Er wußte nicht, wie weit

  er schon von allem war, und ihrem Segnen

  wie selig nah in seiner Einsamkeit.

  Noch sinnt und sinnt der blasse Gossudar.

  Und sein Gesicht, das unterm kranken Haar

  schon lange tief und wie im Fortgehn war,

  verging, wie jenes in dem Goldovale,

  in seinem großen goldenen Talar.

  (Um ihrem Angesichte zu begegnen.)

  Zwei Goldgewänder schimmerten im Saale

  und wurden in dem Glanz der Ampeln klar.

  THE TSARS

  A Poem Cycle (1899 and 1906)

  I

  That was in days when the mountains came:

  the trees, which were not yet docile, reared up,

  and roaring into ramparts the river rose.

  Two foreign pilgrims shouted a name,

  and out of his long crippledness

  arose Ilya, the giant of Muron.

  The old parents labored in the fields

  breaking stones and hacking out wild growth;

  then the son came, immense, from being wakened,

  and forced the furrows to obey the plow.

  He lifted the tree trunks, which stood like fighters,

  and laughed at their tottering weight,

  while their roots, stirred up like black snakes,

  having only known the darkness

  writhed and twisted in the light’s broad grip.

  The early dew brought vigor to the mare,

  in whose veins strength and nobility slept;

  she matured under her rider’s heaviness,

  her neighing was full and deep, like a voice,—

  and both felt how things dimly glimpsed

  called them with auspicious dangers.

  And rode, rode … perhaps a thousand years.

  Who counts the time, when someone simply wills.

  (Perhaps he also sat still a thousand years.)

  The real is like the miraculous:

  it takes the world exactly as it pleases:

  millennia are too y
oung for it.

  Far shall they stride who for long hours sat

  in their being’s deep twilight.

  II

  Great birds still threaten on all sides,

  and dragons glow and guard with darkest care

  the forest’s marvel and the gorge’s fall;

  and boys grow up, and men anoint themselves

  to fight the battle with the nightingale,

  who high up in the crowns of nine oaks

  camps like a thousand-sided animal,

  and at evening a shriek issues out of it

  that pierces to the very end, a weird

  unearthly shriek that goes on all night long:

  that spring night, most terrible of all

  and hardest and most frightening to outlast:

  all around no signs of any ambush,

  and yet everything rife with transformation,

  casting itself down and piecemeal giving itself over,

  even that Something which was breaking up,

  still calling, its entire body trembling

  and going under in it like a ship.

  Those were supremely strong ones, who stayed there,

  not worn down by that immensity

  that out of throats as out of craters broke;

  they lasted, and aging bit by bit

  they grasped the dread that Aprils held,

  and their peaceable hands took many

  and led them through fear and hardship

  to days when they, more resilient,

  built their walls around the city founders,

  who sat wisely and ably over everyone.

  And finally, down the first streets,

  out of lairs and detested lurking-places,

  came the animals deemed intractable.

  They climbed quietly out of their excesses

  (shamed and antiquated violences)

  and lay obediently at the elders’ feet.

  III

  His servants feed with more and more

  a flock of those wild rumors

  that are still Him, everything still Him.

  His favorites flee before him.

  And his wives whisper and create

  alliances. And he hears them far inside

  in their chambers with waiting-women,

  who glance furtively, speak of poison.

  All walls are hollow behind shelves and panels,

  murderers crouch beneath the roofs

  and play the monk most skillfully.

  And he has nothing more than a glimpse

  now and then; nothing more than the soft

  step on the stairs that spiral upward;

  nothing more than the iron on his stick.

  Nothing more than the thin penitential gown

  (through which the cold from the tiles

  creeps up around him as with claws),

  nothing that he dares to call,

  nothing but the fear of all of these,

  nothing but the daily fear of everything,

  which hounds him through these hounded

  faces, hounds him on past dark unquestioned

  perhaps already guilty hands.

  Sometimes he seizes someone in the corridor

  just in time by his mantle’s folds

  and drags him furiously in;

  but at the window he no longer knows:

  Who is the holder? Who is held?

  Who am I and who is he?

  IV

  It is the hour when the empire vainly

  gazes into its splendor’s many mirrors.

  The pale Tsar, his clan’s last member,

  dreams on the throne before the pageantry,

  and his shamed locks faintly tremble

  and his hand also, which flees before the purpled

  armrests with a chaotic longing

  into pathless uncertainty.

  And around his silence boyars bow

  in shining armor and in panther skins,

  like many strange royal dangers

  that surround him with mute impatience.

  Deep into the hall their awe breaks like waves.

  And they call to mind a different Tsar,

  who often with words made out of madness

  thrust their brows against the stones.

  And then think further: that one didn’t leave,

  when he ruled from the throne, so much space empty

  on the faded velvet of the pillows.

  He was the entire world’s dark measure,

  and the boyars had long ceased to be aware

  that the chair’s seat was red, the way

  his cloak in all its goldenness spread wide.

  And they keep on thinking: the Kaiser’s garb

  sleeps on the shoulders of this boy.

  Although the torches flare throughout the hall,

  the pearls are pale that in seven rows,

  like white children, kneel around his neck,

  and the rubies on the sleeve-serrations,

  once goblets bright with wine,

  are black as cinders—

  And their thinking swells.

  It crowds in against the pale Emperor,

  on whose head the crown grows ever lighter

  and from whom the will grows ever more estranged;

  he smiles. The praisers test him more loudly,

  their bowing draws closer, they flatter more hoarsely—

  and a blade has been unsheathed in dream.

  V

  The pale Tsar will not die by the sword,

  the strange longing makes him sacrosanct;

  he will inherit the festive kingdoms

  with which his gentle soul is so afflicted.

  Already now, stepping toward a Kremlin window,

  he sees a Moscow, whiter, less separate,

  worked into its finally finished night;

  the way it is in the first spring weavings,

  when through the streets the scent from birch trees

  trembles with endless morning bells.

  The great bells, which ring imperiously,

  are his fathers, those first tsars,

  who even in the days before the Tartars

  from legends, perils, and adventures,

  from rage and humility hesitantly arose.

  And he grasps suddenly who they were,

  and that they often, to give their darkness sense,

  dived down into his own depths

  and used him, the gentlest of the anointed,

  greatly and devoutly in their deeds

  long before his own life came.

  And suddenly he feels a great thankfulness

  that they so lavishly bestowed him

  on all things’ thirst and urge.

  He was the strength for their exuberance,

  the golden ground against which their broad lives

  mysteriously appeared to darken.

  In all their works he sees himself,

  like inlaid silver in the finest handcraft,

  and there is no deed in their doings

  that wasn’t also there in his still states,

  in which all action’s red turned pale.

  VI

  Still in the surrounding silver-plating

  sapphires gaze like deep female eyes,

  gold tendrils coil together like slim panthers

  that mate in the brilliance of their heat,

  and soft pearls wait in the shadows

  of wild designs, so that a glimmer might

  briefly light their silent faces.

  And all this is mantle, aureole, and land,

  and movement runs from edge to edge,—

  like corn in wind, like rivers in a valley,

  light ripples through the jeweled sheath.

  Within their sun three ovals darken:

  the large one leaves the mother’s face a space,

  and left and right an almond-slender

  virgin hand rise
s out of the silver sleeve.

  The two hands, oddly quiet and brown,

  announce that in the priceless icon

  dwells, as in a cloister, the royal lady

  who will be overflowing with that son,

  with that drop, within which, free of clouds,

  the never-hoped-for skies turn blue.

  The hands still witness to it;

  but the countenance is like a door

  opened out into warm twilight,

  in which the smile of the forgiving cheeks,

  straying with its light, got lost.

  The Tsar kneels deep before it, speaks:

  Did You not feel how we thronged into You

  with all feelings, longings, and forebodings:

  we wait for Your loving countenance

  that has vanished from us; vanished where?:

  For the great saints it doesn’t vanish.

  He trembled deeply in his stiff robe

  that stood shining. He didn’t know how far

  he was by now from everything, and how close

  in his solitude to her benediction.

  Still the pale Gossudar broods and broods.

  And his face, which under sickly hair

  and in his great golden talar has already

  long been deep and as if engaged in leaving,

  passed on, like the one in the gold oval.

  (In order to meet her countenance.)

  Two golden garments shimmered in the hall

  and in the gleam of hanging lamps grew bright.

  DER SÄNGER SINGT VOR EINEM FÜRSTENKIND

  Dem Andenken von Paula Becker-Modersohn

  Du blasses Kind, an jedem Abend soll

  der Sänger dunkel stehn bei deinen Dingen

  und soll dir Sagen, die im Blute klingen,

  über die Brücke seiner Stimme bringen

  und eine Harfe, seiner Hände voll.

  Nicht aus der Zeit ist, was er dir erzählt,

  gehoben ist es wie aus Wandgeweben;

  solche Gestalten hat es nie gegeben, —

  und Niegewesenes nennt er das Leben.

  Und heute hat er diesen Sang erwählt:

  Du blondes Kind von Fürsten und aus Frauen,

  die einsam warteten im weißen Saal, —

  fast alle waren bang, dich aufzubauen,

  um aus den Bildern einst auf dich zu schauen:

  auf deine Augen mit den ernsten Brauen,

  auf deine Hände, hell und schmal.

  Du hast von ihnen Perlen und Türkisen,

  von diesen Frauen, die in Bildern stehn

  als stünden sie allein in Abendwiesen, —

  du hast von ihnen Perlen und Türkisen