Page 5 of The Book of Images


  Und bin doch manch eines Erbe.

  Mit drei Zweigen hat mein Geschlecht geblüht

  auf sieben Schlössern im Wald,

  und wurde seines Wappens müd

  und war schon viel zu alt; —

  und was sie mir ließen und was ich erwerbe

  zum alten Besitze, ist heimatlos.

  In meinen Händen, in meinem Schooß

  muß ich es halten, bis ich sterbe.

  Denn was ich fortstelle,

  hinein in die Welt,

  fällt,

  ist wie auf eine Welle

  gestellt.

  THE LAST OF HIS LINE

  I have no paternal house,

  nor have I lost one;

  my mother birthed me out

  into the world.

  Here I stand now in the world and go

  ever deeper into the world

  and have my happiness and have my woe

  and have each one alone.

  And yet to many a man am heir.

  My family blossomed with three branches

  on seven castles in the woods,

  and grew weary of its coat of arms

  and was already far too old;—

  and what they left me and what I gained

  of ancient ownership, is homeless.

  In my hands, in my loins

  I have to hold it all, until I die.

  Since whatever I put away

  out into the world

  falls,

  it is as if set down

  upon a wave.

  BANGNIS

  Im welken Walde ist ein Vogelruf,

  der sinnlos scheint in diesem welken Walde.

  Und dennoch ruht der runde Vogelruf

  in dieser Weile, die ihn schuf,

  breit wie ein Himmel auf dem welken Walde.

  Gefügig räumt sich alles in den Schrei:

  Das ganze Land scheint lautlos drin zu liegen,

  der große Wind scheint sich hineinzuschmiegen,

  und die Minute, welche weiter will,

  ist bleich und still, als ob sie Dinge wüßte,

  an denen jeder sterben müßte,

  aus ihm herausgestiegen.

  APPREHENSION

  In the faded forest there is a birdcall

  which seems meaningless in this faded forest.

  And yet the rounded birdcall rests

  in this interim that shaped it,

  wide as a sky upon the faded forest.

  Pliantly everything makes room in the cry:

  The whole land seems to lie in it soundlessly,

  the great wind seems to nestle up inside,

  and the moment, which wants to go on,

  has, pale and silent, as if it knew things

  for which anyone would have to die,

  risen out of it.

  KLAGE

  O wie ist alles fern

  und lange vergangen.

  Ich glaube, der Stern,

  von welchem ich Glanz empfange,

  ist seit Jahrtausenden tot.

  Ich glaube, im Boot,

  das vorüberfuhr,

  hörte ich etwas Banges sagen.

  Im Hause hat eine Uhr

  geschlagen …

  In welchem Haus?…

  Ich möchte aus meinem Herzen hinaus

  unter den großen Himmel treten.

  Ich möchte beten.

  Und einer von allen Sternen

  müßte wirklich noch sein.

  Ich glaube, ich wüßte,

  welcher allein

  gedauert hat, —

  welcher wie eine weiße Stadt

  am Ende des Strahls in den Himmeln steht …

  LAMENT

  How everything is far away

  and long deceased.

  I think now, that the star

  whose brightness reached me

  has been dead for a thousand years.

  I think now, that in the boat

  which slipped past

  I heard something fearful being said.

  Inside the house a clock

  just struck …

  Inside what house?…

  I would like to step out of my heart’s door

  and be under the great sky.

  I would like to pray.

  And surely one of all those stars

  must still exist.

  I think now, that I know

  which one alone

  has lasted,—

  which one like a white city

  stands at its light’s end in the sky …

  EINSAMKEIT

  Die Einsamkeit ist wie ein Regen.

  Sie steigt vom Meer den Abenden entgegen;

  von Ebenen, die fern sind und entlegen,

  geht sie zum Himmel, der sie immer hat.

  Und erst vom Himmel fällt sie auf die Stadt.

  Regnet hernieder in den Zwitterstunden,

  wenn sich nach Morgen wenden alle Gassen

  und wenn die Lieber, welche nichts gefunden,

  enttäuscht und traurig von einander lassen;

  und wenn die Menschen, die einander hassen,

  in einem Bett zusammen schlafen müssen:

  dann geht die Einsamkeit mit den Flüssen …

  SOLITUDE

  Solitude is like a rain.

  It rises from the sea toward evening;

  from plains, which are distant and remote,

  it goes to the sky, which always has it.

  And only then it falls from the sky on the city.

  It rains down in the in-between hours,

  when all the crooked streets turn toward morning,

  and when the bodies, which found nothing,

  leave each other feeling sad and disappointed;

  and when the people, who hate each other,

  have to sleep together in one bed:

  then solitude flows with the rivers …

  HERBSTTAG

  Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.

  Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,

  und auf den Fluren laß die Winde los.

  Befiehl den letzten Früchten voll zu sein;

  gieb ihnen noch zwei südlichere Tage,

  dränge sie zur Vollendung hin und jage

  die letzte Süße in den schweren Wein.

  Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.

  Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,

  wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben

  und wird in den Alleen hin und her

  unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

  AUTUMN DAY

  Lord: it is time. The summer was immense.

  Lay your shadows on the sundials,

  and on the meadows let the winds go free.

  Command the last fruits to be full;

  give them just two more southern days,

  urge them on to completion and chase

  the last sweetness into the heavy wine.

  Who has no house now, will never build one.

  Who is alone now, will long remain so,

  will stay awake, read, write long letters

  and will wander restlessly up and down

  the tree-lined streets, when the leaves are drifting.

  ERINNERUNG

  Und du wartest, erwartest das Eine,

  das dein Leben unendlich vermehrt;

  das Mächtige, Ungemeine,

  das Erwachen der Steine,

  Tiefen, dir zugekehrt.

  Es dämmern im Bücherständer

  die Bände in Gold und Braun;

  und du denkst an durchfahrene Länder,

  an Bilder, an die Gewänder

  wiederverlorener Fraun.

  Und da weißt du auf einmal: das war es.

  Du erhebst dich, und vor dir steht

  eines vergangenen Jahres

  Angst und Gestalt und Gebet.

  MEMORY

  And you wait, await the one thing

  that will infinitely increase your life;


  the gigantic, the stupendous,

  the awakening of stones,

  depths turned round toward you.

  The volumes in brown and gold

  flicker dimly on the bookshelves;

  and you think of lands traveled through,

  of paintings, of the garments

  of women found and lost.

  And then all at once you know: that was it.

  You rise, and there stands before you

  the fear and prayer and shape

  of a vanished year.

  ENDE DES HERBSTES

  Ich sehe seit einer Zeit,

  wie alles sich verwandelt.

  Etwas steht auf und handelt

  und tötet und tut Leid.

  Von Mal zu Mal sind all

  die Gärten nicht dieselben;

  von den gilbenden zu der gelben

  langsamen Verfall:

  wie war der Weg mir weit.

  Jetzt bin ich bei den leeren

  und schaue durch alle Alleen.

  Fast bis zu den fernen Meeren

  kann ich den ernsten schweren

  verwehrenden Himmel sehn.

  END OF AUTUMN

  I have seen for some time

  how everything is changing.

  Something rises and acts

  and kills and causes grief.

  From one time to the next

  all the gardens now are not the same;

  from the yellowing to the

  golden slow decay;

  how long that path has been.

  Now I stand amid emptiness

  and gaze down all avenues.

  Almost to the distant oceans

  I can see the solemn ponderous

  relentlessly denying sky.

  HERBST

  Die Blätter fallen, fallen wie von weit,

  als welkten in den Himmeln ferne Gärten;

  sie fallen mit verneinender Gebärde.

  Und in den Nächten fällt die schwere Erde

  aus allen Sternen in die Einsamkeit.

  Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.

  Und sieh dir andre an: es ist in allen.

  Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen

  unendlich sanft in seinen Händen hält.

  AUTUMN

  The leaves are falling, falling as if from far off,

  as if in the heavens distant gardens withered;

  they fall with gestures that say “no.”

  And in the nights the heavy earth falls

  from all the stars into aloneness.

  We are all falling. This hand is falling.

  And look at the others: it is in them all.

  And yet there is One who holds this falling

  with infinite softness in his hands.

  AM RANDE DER NACHT

  Meine Stube und diese Weite,

  wach über nachtendem Land, —

  ist Eines. Ich bin eine Saite,

  über rauschende breite

  Resonanzen gespannt.

  Die Dinge sind Geigenleiber,

  von murrendem Dunkel voll;

  drin träumt das Weinen der Weiber,

  drin rührt sich im Schlafe der Groll

  ganzer Geschlechter …

  Ich soll

  silbern erzittern: dann wird

  Alles unter mir leben,

  und was in den Dingen irrt,

  wird nach dem Lichte streben,

  das von meinem tanzenden Tone,

  um welchen der Himmel wellt,

  durch schmale, schmachtende Spalten

  in die alten

  Abgründe ohne

  Ende fällt …

  ON THE EDGE OF NIGHT

  My room and this vastness,

  awake over the darkening land,—

  are one. I am a string,

  stretched tightly over wide

  raging resonances.

  Things are violin-bodies

  full of murmuring darkness:

  in it dreams the weeping of women,

  in it the grudge of whole

  generations stirs in its sleep …

  I shall vibrate

  like silver; then everything

  beneath me will live,

  and whatever wanders lost in things

  will strive toward the light

  that from my dancing tone—

  around which the heavens pulse—

  through thin, pining rifts

  into the old

  abysses endlessly

  falls …

  GEBET

  Nacht, stille Nacht, in die verwoben sind

  ganz weiße Dinge, rote, bunte Dinge,

  verstreute Farben, die erhoben sind

  zu Einem Dunkel Einer Stille, — bringe

  doch mich auch in Beziehung zu dem Vielen,

  das du erwirbst und überredest. Spielen

  denn meine Sinne noch zu sehr mit Licht?

  Würde sich denn mein Angesicht

  noch immer störend von den Gegenständen

  abheben? Urteile nach meinen Händen:

  Liegen sie nicht wie Werkzeug da und Ding?

  Ist nicht der Ring selbst schlicht

  an meiner Hand, und liegt das Licht

  nicht ganz so, voll Vertrauen, über ihnen, —

  als ob sie Wege wären, die, beschienen,

  nicht anders sich verzweigen, als im Dunkel? ..

  PRAYER

  Night, still night, into which are woven

  purely white things, red, brightly mottled things,

  scattered colors, which are raised up

  into One Darkness’s One Stillness,—include me

  also in the weft of that rich manifold

  which you acquire and persuade. Do my senses

  really still play too much with light?

  Shall my face not forever stand out

  as a disturbance in the world of

  objects? Judge by my hands:

  Do they not lie there like tool and thing?

  Is not the ring itself simply

  on my hand, and does not the light

  lie exactly so, full of trust, over them,—

  as if they were paths, which, brightly lit,

  do not branch differently in darkness?…

  FORTSCHRITT

  Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,

  als ob es jetzt in breitern Ufern ginge.

  Immer verwandter werden mir die Dinge

  und alle Bilder immer angeschauter.

  Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:

  Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reiche

  ich in die windigen Himmel aus der Eiche,

  und in den abgebrochnen Tag der Teiche

  sinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl.

  PROGRESS

  And again my inmost life rushes louder,

  as if it moved now between steeper banks.

  Objects become ever more related to me,

  and all pictures ever more perused.

  I feel myself more trusting in the nameless:

  with my senses, as with birds, I reach

  into the windy heavens from the oak,

  and into the small ponds’ broken-off day

  my feeling sinks, as if it stood on fishes.

  VORGEFÜHL

  Ich bin wie eine Fahne von Fernen umgeben.

  Ich ahne die Winde, die kommen, und muß sie leben,

  während die Dinge unten sich noch nicht rühren:

  die Türen schließen noch sanft, und in den Kaminen ist Stille;

  die Fenster zittern noch nicht, und der Staub ist noch schwer.

  Da weiß ich die Stürme schon und bin erregt wie das Meer.

  Und breite mich aus und falle in mich hinein

  und werfe mich ab und bin ganz allein

  in dem großen Sturm.

  PRESENTIMENT

  I am like a flag surrounded by distances.

  I sense the winds that are coming, and must live them,

  while the t
hings down below don’t yet stir:

  the doors still close softly, and in the chimneys there’s silence;

  the windows don’t tremble yet, and the dust is still calm.

  Then I know the storms already and grow embroiled like the sea.

  And spread myself out and plunge deep inside myself

  and cast myself off and am entirely alone

  in the great storm.

  STURM

  Wenn die Wolken, von Stürmen geschlagen,

  jagen:

  Himmel von hundert Tagen

  über einem einzigen Tag —:

  Dann fühl ich dich, Hetman, von fern

  (der du deine Kosaken gern

  zu dem größesten Herrn

  führen wolltest).

  Deinen waagrechten Nacken

  fühl ich, Mazeppa.

  Dann bin auch ich an das rasende Rennen

  eines rauchenden Rückens gebunden;

  alle Dinge sind mir verschwunden,

  nur die Himmel kann ich erkennen:

  Überdunkelt und überschienen

  lieg ich flach unter ihnen,

  wie Ebenen liegen;

  meine Augen sind offen wie Teiche,

  und in ihnen flüchtet das gleiche

  Fliegen.

  STORM

  When the clouds, driven by storms,

  stampede:

  skies of a hundred daytimes

  above a single day—:

  Then I feel you, hetman, from afar

  (you, who would gladly lead

  your cossacks over

  to the strongest lord).

  Your neck level with the ground

  I feel, Mazeppa.

  Then I too am bound to the wild-eyed

  racing of a smoking back;

  all things have disappeared from me,

  I can only recognize the sky:

  Blanketed by darkness and bathed by light

  I lie flat beneath it

  the way plains lie;

  my eyes are open like ponds,

  and the same flying

  flees in them …

  ABEND IN SKÅNE

  Der Park ist hoch. Und wie aus einem Haus

  tret ich aus seiner Dämmerung heraus

  in Ebene und Abend. In den Wind,